2 Praxen auf einen Streich – Interview mit der Presseabteilung der Ärztekammer Steiermark
Zitat: „In der Praxis achte ich darauf, nicht mehr als maximal 50 Patienten pro Tag zu behandeln.“
Auf Philipp Kahl trifft das Motto der Serie „Gerne Arzt“ gleich in mehrfacher Weise zu: Er ist nicht nur leidenschaftlich engagierter Kinderarzt, sondern er hat in sechs Jahren gleich zwei gut vernetze Praxen* aufgebaut – zuerst eine in Hartberg und dann eine in Gleisdorf. „Der Begriff Ordination wirkt befremdlich auf mich“, so Kahl, „in Deutschland, wo ich meine komplette Facharzt-Ausbildung absolviert habe, kennt man das Wort nicht – und es geht ja um die Praxis“.
Schnurstracks ins Fach
Dass Kinderarzt ein guter Beruf für ihn wäre, hat der aus Brixen stammende Kahl schon in der Schule entschieden: Mit einer gewissen Leichtigkeit und viel Humor gesegnet fand er, das seien gute Voraussetzungen, um mit Kindern zu arbeiten. Also entschied er sich für Medizin und da lag es für den Brixener nahe, das Studium in Innsbruck zu beginnen, dann wechselte er nach Wien.
Weil ihm von Anfang an das Kinder-Fach vor Augen stand, sah er in 3 Jahren Turnus in Österreich keine Option für sich, und ging nach Thüringen, Köln und insbesondere ins ostbayrische Amberg, um dort schnurstracks in die Facharztausbildung zu kommen. Amberg ist ein Perinatalzenztrum Level 1 – Kahl genoss also eine sehr gute Ausbildung und blieb für 7 Jahre, 4 davon auf der Neonatologie und Kinder-Intensivstation. Da Südtirol im Ausland Auszubildende mit Stipendien unterstützt, musste Kahl aber früher oder später für 2 Jahre nach Hause zurück, um dort im öffentlichen Gesundheitswesen seine Leistungspflicht zu absolvieren: „Ich finde das aber eine sehr gute Lösung. Jetzt überlegt man sich so eine Verpflichtung ja auch hier. Südtirol hat das schon seit vielen Jahren gemacht. Wenn die Politik fachärztliche Ausbildung junger Menschen unterstützt, dann soll das auch in geeigneter Weise zurück ins Land fließen. Das ist eine gute Lösung, sollte Ausbildungsnot herrschen“, so Kahl. Nach 2,5 Jahren Oberarzt auf Pädiatrie und Neonatologie entschloss sich Kahl in Graz auch als Kinderkardiologe ausbilden zu lassen.
Von der Klinik nach Hartberg
„Zwischen 2014 und 2017 war ich dann als Oberarzt auf der Kinderklinik Graz, durfte Kardiologie und Intensivstation kennenlernen, die Notfallambulanz und die aktiven Nachtdienste. Dann habe ich die freie Kassenstelle in Hartberg angenommen“, so Kahl. „Allerdings musste ich die Praxis in Hartberg völlig neu aufbauen: Es gab kein Personal, die Infrastruktur war veraltet, kein Netzwerk zu übernehmen, weil die Stelle sehr lange unbesetzt war.“ Also krempelte Kahl die Ärmel auf. In einem neu errichteten Lokal konnte er einen Standort nach seinen Vorstellungen aufbauen – „der Besitzer der Liegenschaft war da wirklich sehr kooperativ“ und begann mit seiner Praxis. Was in der Oststeiermark aber durchaus herausfordernd sein kann: „Am Anfang hatte ich 4 bis 10 Patenten pro Tag“, so Kahl, „zeitgleich arbeitete ich im Neugeborenenzimmer des hiesigen Spitals. Es sind doch gar nicht so wenige, die lieber zu einem Kinderarzt gehen, den sie schon auf der Geburtenstation gesehen haben“.
Im Herbst 2020 stand dann der nächste Wechsel an: Kahl übernahm eine Kassenstelle in Gleisdorf. Einerseits lag bzw. liegt das deutlich näher an seinem Wohnort – andererseits hat es sich um die einzige Kassenstelle in Gleisdorf gehandelt. „Ja, das war natürlich nicht unvorteilhaft“, so Kahl, „aber was für mich der wichtigere Beweggrund war: durch die Nähe an das Uniklinikum sind erwartungsgemäß externe Versorgungsmöglichkeiten für Kinder besser aufgestellt“, erklärt Kahl. „Das erleichtert das Arbeiten mit Patienten und Eltern und erhöht die Effektivität in der Diagnostik und Therapie“.
Déjà-vu
Und dann kam das déjà-vu: Der Anfang war auch hier ziemlich durchwachsen. Die Räume der Vorgängerin waren baulich wenig geeignet („Die Praxis hatte nur einen Raum, der Rest war ein Durchgang um denselben Raum herum“). Personal konnte nicht übernommen werden, und die Suche nach neuen, tauglichen Räumen zog sich ordentlich hin. Nach drei Jahren mit „Raumtrennung durch Vorhang“ ordiniert Kahl nun unterstützt von 2 Assistentinnen in Räumen des Unit-Centers Gleisdorf, die von der Aufteilung her dem entsprechen, was er in Hartberg neu aufgebaut hinterlassen hatte. Ein wenig mehr Unterstützung hätte er sich dafür schon gewünscht – insbesondere die Finanzierungsberatung durch die Kammer hätte besser sein können.
Wohnortnah und genau
„In der Praxis achte ich darauf, nicht mehr als maximal 50 Patienten pro Tag zu behandeln“, erklärt Kahl, „weil mir wirklich daran gelegen ist, im einzelnen Fall den Überblick zu behalten. Und das geht bei einer größeren Menge für mich nicht zusammen, auch wenn es anders finanziell lukrativer wäre. Ich habe den Eindruck, dass viele Kinder hierzulande übertherapiert, aber unterdiagnostiziert sind“, so Kahl „also nehme ich mir Zeit, jeden Fall genau ins Auge zu fassen“.
Gerne am Land
Seit 2016 lebt Kahl mit seiner Frau – sie ist Masseurin und im nahen Blumau geboren – und den beiden Kindern in Egelsdorf bei Sinabelkirchen, „Meine Frau und ich lebten schon immer sehr gerne am Land“, so der 46-jährige Vater „und für die Kinder, das Mädchen ist 7,5 und der Bub 4,5 Jahre alt, ist das natürlich auch wirklich gut!“
Sport und Musik als Ausgleich
Zum Ausgleich setzt Kahl einerseits auf Sport: Schon in seiner Kindheit und Jugend war er Hocheistungssportler im Ski- und Kunstturnverein, als Arzt schätzt er Sport als „extrem wertvoll in diesem Burnout-gefährdeten Job“. Jetzt hat sich Kahl dem Brettsport verschrieben: im Winter am Snow- und im Sommer am Windsurfboard. Es zieht ihn „mit der ganzen Familie im originellen Oldtimer-Wohnwagen-Gespann zum Neusiedlersee, Kroatien und in die Heimat aber natürlich auch sehr gern nach Griechenland“. Musik ist ihm aber auch sehr wichtig: Seit er 11 ist spielt er Akkordeon, „natürlich habe ich das als Kind ganz klassisch gelernt“, jetzt lässt er es am Akkordeon aber lieber rockig und bluesig angehen. Wenn er nicht Gitarre oder Bass spielt.